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Aktuelles Urteil: Selbstständig oder nicht?
Freie Zeiteinteilung, überdurchschnittliche Einkommenschancen sowie professionelle Unterstützung durch Trainings, Vertriebs- und Marketingmaßnahmen - so wirbt die Deutsche Bank um selbstständige Finanzberater. Pluspunkt für die Bank: Provision fließt nur im Erfolgsfall, zudem fallen keinerlei Sozialabgaben an. Doch auch viele Berater schätzen das Modell, das ihnen hohe Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erspart. Rund 1.300 selbständige Finanzberater sind laut Webseite allein für die Deutsche Bank im Privatkundengeschäft aktiv. Bundesweit sind laut DIHK-Register knapp 40.000 Finanzanlagenvermittler und -berater gegen Provision oder auf Honorarbasis tätig.
Erste Niederlage vor dem Sozialgericht
Wie das Handelsblatt (Ausgabe vom 16.06.2021) berichtet, zieht das Sozialgericht Frankfurt das Berufsmodell des selbstständigen Finanzberaters mit einer aktuellen Entscheidung (Az. S 18 BA 93/18) nun erstmals im Zweifel. Hintergrund des Verfahrens: Ein ehemaliger Berater der Deutschen Bank hatte von der Deutschen Rentenkasse seinen Sozialversicherungsstatus feststellen lassen. Die Rentenversicherung stufte das Arbeitsverhältnis als eine nicht selbstständige und damit sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ein. Gegen diesen Bescheid zog die Deutsche Bank vor Gericht und unterlag.
Hat das Urteil auch in den nächsten Instanzen Bestand, muss die Bank erhebliche Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Dagegen will sie sich wehren: Es handle sich um eine Einzelfallentscheidung, die nicht auf die übrigen selbstständigen Handelsvertreter übertragen werden könne, so das Institut gegenüber dem Handelsblatt. Da das Urteil "fallspezifische Besonderheiten" nicht korrekt würdige, habe man gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. Ob die Bank damit Erfolg hat, bleibt abzuwarten.
Strukturen und Arbeitsabläufe überprüfen
Angesichts leerer Rentenkassen könnten Sozialversicherungsträger das Urteil zum Anlass nehmen, den mobilen Finanzvertrieb der Banken und Versicherungen strenger unter die Lupe zu nehmen. Für Finanzberater, die ihren Status als Selbstständige absichern möchten, lohnt ein Blick auf die Entscheidungsgründe. In dem konkreten Fall monierte das Frankfurter Sozialgericht insbesondere feste hierarchische Strukturen, die zu weitreichenden Berichts- und Rechenschaftspflichten der formal selbstständigen Berater gegenüber festangestellten Führungskräften der Bank geführt hätten. Solche Rechenschaftspflichten seien mit einer Selbstständigkeit unvereinbar, heißt es in dem Urteil.
Weiterhin bemängelten die Richter konkrete Klauseln des Handelsvertretervertrages: Einen eigenen Standort außerhalb der Finanzagentur etwa hätte sich der betroffene Berater von der Bank genehmigen lassen müssen, ebenso wie die Ausstattung und Gestaltung seiner Räume. Bereits die Rentenversicherung hatte festgestellt, dass der Berater nicht wirklich frei in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsort gewesen sei und viele Vorgaben befolgen musste, wie er welche Kunden anzusprechen habe. Finanzberater und ihre Auftraggeber sollten diese Kriterien bei der Ausgestaltung und Umsetzung ihrer Vertragsbeziehung stets im Blick behalten.