Versicherungsbüro Scharf GmbH

Ihre Versicherung  in Übach-Palenberg und Bad Krozingen

Aktuelles


Finanzen und Versicherungen

Zurück zur Übersicht

Finanzen + Versicherungen

Altersvorsorge 
Donnerstag, 15.03.2018

Großes bAV-Branchentreffen bei der 19. Handelsblatt-Tagung

Warum der Koalitionsvertrag zu bAV schweigt

Großes Thema am ersten Tag der Veranstaltung war die Fragestellung, warum im unterschriebenen Koalitionsvertrag nur ein erdrückendes Schweigen festzustellen ist, wenn nach den typischen bAV-Keywords gesucht wird. Dieser Frage durfte sich Gabriele Lösekrug-Möller stellen, bis zum 13.03. noch parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Für die Politikerin gibt es hierzu eine leichte Erklärung. Die Wirtschaft habe in den nächsten Jahren einen Riesenberg an Umsetzung vor sich, deshalb gebe es keine neuen Maßnahmen im Koalitionsvertrag. Das kürzlich in Kraft getretene Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) sei ein Langfristprojekt.

Zum BRSG lobte die Politikerin die gute Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen. Man habe durch die Anrechnung der Zusatzrenten auf Grundsicherung ein extrem wichtiges Signal gesetzt, um zu zeigen, dass sich die bAV als Vorsorgeinstrument lohnt. Aber auch die Befreiung von der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bei betrieblichen Riester-Verträgen oder die Einführung des Arbeitgeberzuschusses würden zu einem attraktiven Gesamtpaket beitragen.

Beim Sozialpartnermodell sei eines völlig klar, so Lösekrug-Möller, es werde keine Einheitslösung geben. Allerdings werde in Deutschland eine sehr verantwortungsvolle Sozialpartnerschaft gelebt und so sei zu erwarten, dass jeder Sozialpartner von Fall zu Fall entscheide, was am besten passt. Es gehe darum, dieses Instrument zu nutzen und das Beste daraus zu machen.

Den Blick noch einmal zurück auf den Koalitionsvertrag gerichtet, sprach Lösekrug-Möller auch kurz das Thema Erwerbsminderung an, das eines der größten Armutsrisiken darstelle. Hier sei Union und SPD eine sehr gute Neuregelung gelungen. Des Weiteren gebe es von der neuen Regierung ein klares Bekenntnis zum Drei-Säulen-Modell - zu dem ja auch die säulenübergreifende Renteninformation angestrebt wird.

Derzeit noch ungeregelt, aber aus Sicht der Politikerin dringend zu behandeln, sei in Zukunft die Fragestellung: Wie können wir die Versorgungslücken von Selbstständigen sinnvoll schließen. Derartige Aktivitäten würden eine breite Masse erfreuen, zählte Deutschland im Jahr 2017 doch ganze 1,83 Mio. Selbstständige mit Beschäftigen sowie 2,3 Mio. Solo-Selbstständige (Quelle: Bundesagentur für Arbeit/Statistisches Bundesamt).

Die Altersvorsorge aus Sicht der Parlamentarier

Ohne Beteiligung der AfD sprachen dann die Bundestagsfraktionen im Rahmen einer politischen Diskussionsrunde detaillierter über die Altersvorsorgepolitik, ihre Haltung zum bestehenden System und möglichen Verbesserungsmaßnahmen.

Die SPD wurde vertreten durch Rentenexperte Ralf Kapschack, der im BRSG einen Schrittmacher sieht, den man sicher noch an der einen oder anderen Stelle verbessern könne. Man habe aber ein ordentliches Angebot auf den Tisch gelegt, dass die Tarifpartner nun umsetzen müssen. CDU-Bundestagsmitglied Peter Weiß sieht das Problem des BRSG derzeit vor allem darin, dass die Botschaft noch nicht ausreichend angekommen sei. Anfang des Jahres habe man nur auf die Regierungsbildung geachtet. Der Parlamentarier bleibt aber hoffnungsvoll, dass die Sozialpartner den Ball aufgreifen werden, sobald die diesjährige Lohnrunde abgeschlossen ist.

Heiß diskutiert: Die Doppelverbeitragung

Eine wirkliche Stärkung der Betriebsrente ist nach Ansicht von Matthias W. Birkenwald (Die Linke) durch Abschaffung der Doppelverbeitragung zu erreichen. Und auch Johannes Vogel betonte, dass die FDP in diesem Punkt weiter treiben würde. Kapschack forderte in diesem Zusammenhang jedoch dazu auf, den Blick auf die Wirklichkeit außerhalb des Koalitionsvertrages zu richten. Es gehe bei der Beitragspflicht um Geld, das man den Kassen wieder wegnehmen, obwohl man es ihnen vor einigen Jahren erst zugesprochen hätte. Hier müssten Alternativen folgen.

Die Grünen wünschen sich laut des rentenpolitischen Sprechers Markus Kurth ein Standardprodukt, ein leicht zugängliches Produkt, ähnlich des skandinavischen Fondsmodells. Dieses würde die bAV gerade für kleine Arbeitgeber attraktiver machen, die heute wegen des Verwaltungsaufwands das Angebot eher scheuen, auch in Konkurrenz zum Sozialpartnermodell.

Das Bekenntnis der Regierung zum Drei-Säulen-Modell stößt bei Birkenwald auf wenig Zustimmung. Das Modell ist gescheitert und deutlich teurer als die gesetzliche Rentenversicherung, betont der Linken-Politiker. Viele hätten nur die erste Säule, deshalb müsse man die gesetzliche Rente stärken, so wie die Linke, die das Rentenniveau wieder auf 53 % anheben wolle.

Und was sagen Nutznießer und Betroffene zur bAV?

Einen Realitätscheck präsentierte Gastredner Fred Marchlewski, Vorsitzender der Geschäftsführung und Chief Executive Officer der AON Hewitt GmbH. Das Beratungsunternehmen hatte im Rahmen einer aktuellen Studie Arbeitnehmer und Arbeitgeber deutscher KMUs zum Thema bAV beauftragt. Das Ergebnis und die Schlussfolgerungen daraus: Es ist ein sehr weiter Weg, den die Branche noch gehen muss. Denn je kleiner die Firma, desto weniger Wissen zu den Vorsorgeangeboten besteht. Auch 16 Jahre nach Einführung des gesetzlichen Entgeltumwandlungsanspruchs kennen nur 51 % der befragten Arbeitnehmer ihr Recht aus § 1a BetrAVG. Auf Arbeitgeberseite ist 71 % der Anspruch ihrer Mitarbeiter bewusst. 27 % der Arbeitgeber glauben dabei fälschlicherweise, dass bAV nur für große Unternehmen ist. Hier ist also noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Und das Potenzial in der Beratung sei durchaus vorhanden, so Marchlewski. In der Umfrage habe sich gleichzeitig eine große Wertschätzung für die bAV gezeigt. 80 % der Arbeitnehmer würden die Vorsorgemöglichkeiten nutzen und auch 81 % der Arbeitgeber wären durchaus bereit, die Angebote zu prüfen und umzusetzen. Diese Zahlen gelten allerdings ohne Bezug auf das BRSG. Denn zur Reform zeige sich ebenfalls ein großes Feld an Unwissenheit, räumt der CEO. Der Studie zufolge habe rund zwei Drittel der Arbeitnehmer noch nichts vom Reformgesetz.

Für die Aufklärungsarbeit ist laut Marchlewski ein bunter Blumenstrauß an Kommunikationsquellen Pflicht, um an die Arbeitnehmer heranzukommen. Denn in der bAV-Beratung gelte immer das Motto: Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.

Wie steht es mit der Umsetzung des BRSG?

Gespannt warteten die Teilnehmer der Handelsblatt-Tagung auch auf die Stimmen aus dem Lager der Sozialpartner und hier insbesondere auf Antworten auf die Frage, ob bereits an ersten Projekten zur Umsetzung des BRSG gearbeitet werde.

Verdi habe zunächst eine Arbeitsgruppe gebildet, um zu schauen, in welchen Branchen sich Maßnahmen anbieten, erklärte die stellvertretene Bundesvorsitzende Andrea Kocsis. Im Speditions- und Logistikgewerbe gebe es zwar viele Tarifverträge, aber keine BAV-Mund auch das Bewachungsgewerbe stehe als Wachstumsbranche im Fokus von Überlegungen. Derzeit fehle es aber noch an Sozialpartnern, die das zusammen mit Verdi umsetzen, so die Gewerkschafterin.

Für Ralf Sikorski, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE, geht allem Aktionismus die Analyse voraus, an welcher Stelle es überhaupt Sinn macht, auf neue Modelle zu setzen. Und auch für die Metallbranche gelte: Don't call us, we call you. Präsident Dr. Rainer Dulger betonte, das vieles zu berücksichtigen sei, der Arbeitgeberverband benötige ausreichend Zeit für die Überlegung, in welche Struktur man das Angebot aus dem Reformgesetz packe.

Dr. Kai Beckmann will mit dem Bundesarbeitgeberverband Chemie vor allem dafür sorgen, die bAV im Mittelstand zu etablieren. Man wolle Verständnis schaffen und eine ausreichende Aufklärung vorantreiben, damit Arbeitgeber verstehen, was beispielsweise die Enthaftung genau bedeutet.

Beim Thema Opt-out-Modelle zeigten sich alle Diskussionsteilnehmer noch äußerst zurückhaltend. Hier müssten zunächst weitere Gesprächsrunden folgen. Einigkeit herrschte demgegenüber beim Thema Doppelverbeitragung, und Rechnungszins. Nach Meinung Beckmanns bestehe hier dringender Bedarf, nachzubessern, was auf allgemeine Zustimmung auf dem Podium traf.

Zurück zur Übersicht