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Schadenversicherung 
Donnerstag, 18.06.2020

Unfallversicherung: Zur Anspruchsminderung wegen Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen bei einer Sehnenruptur

Der Fall:

Der Kläger nahm den beklagten Unfallversicherer auf Gewährung von Versicherungsschutz in Anspruch. Der Unfallversicherung lagen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 2008 (AUB 2008) zugrunde. Darin heißt es unter der Überschrift "Versicherungsumfang:

"Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Als Unfall gilt/gelten auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden ...Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, mindert sich - im Fall einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens. Beträgt der Mitwirkungsanteil weniger als 25 % unterbleibt jedoch die Minderung."

Der Kläger hatte sich in 2013 durch das Anheben eines ca. 20 kg schweren Farbeimers, um diesen auf eine höhere Gerüstetage zu stellen, einen Riss der Supraspinatussehne der rechten Schulter zugezogen. Ein von der Beklagten beauftragter Gutachter kam zu dem Ergebnis, die Mitwirkung unfallfremder Erkrankungen betrage 100 %, woraufhin die Beklagte Leistungen ablehnte. Der Kläger hatte 2002 eine seinerzeit operativ versorgte Schultereckgelenksprengung rechts erlitten.

Die Entscheidung:

Zunächst hält der BGH fest, dass der Riss der Supraspinatussehne als Verletzung im Sinne von Ziffer 1.4.1 AUB 2008 anzusehen sei. Das ergebe eine Auslegung der Klausel:

Bei der Beurteilung von Verletzungen in Bereichen, in welchen die Gliedmaßen - also Arme und Beine - mit dem Rumpf verbunden sind, wird sich der Versicherungsnehmer - so der BGH - zunächst am Wortlaut von Ziffer 1.4.1 AUB 2008 orientieren. Er wird erkennen, dass die Klausel keine Verletzung der Gliedmaßen selbst fordert, sondern eine Verletzung an Gliedmaßen. Das wird er dahingehend verstehen, dass auch solche Körperteile erfasst werden sollen, die sowohl mit Gliedmaßen als auch mit dem Rumpf verbunden sind. Dazu wird er die im Streitfall verletzte Supraspinatussehne zählen, die als Teil der Rotatorenmanschette den Oberarm mit Schulter und Rumpf verbindet.

Der systematische Zusammenhang der Klausel stützt den Versicherungsnehmer bei diesem Verständnis. Anhaltspunkte dafür, dass nur solche Körperteile Berücksichtigung finden sollen, die in vollem Umfang den Gliedmaßen zufallen, sind für ihn nicht erkennbar. Während ihn nichts darauf hinweist, dass der gesamte Schultergürtel bei der Anwendung der Gliedertaxe dem Arm zuzurechnen wäre, wird er die auf Verletzungen an Gliedmaßen abstellende Klausel in Ziffer 1.4.1 insoweit als weiter gefasst verstehen.

Auf der Grundlage des Wortlauts und des systematischen Zusammenhangs wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer demnach einen Riss der Supraspinatussehne als Verletzung an Gliedmaßen im Sinne von Ziffer 1.4.1 AUB 2008 ansehen.

Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung - wie hier - mitgewirkt, mindert sich gemäß Ziffer 3 Satz 2 AUB 2008 der Invaliditätsgrad entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht Ziffer 3 Satz 2 AUB 2008 so, dass unfallfremde Krankheiten und Gebrechen grundsätzlich zu seinen Lasten gehen, nämlich zu einer Kürzung des Anspruchs oder einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen. Weiter entnimmt er daraus, dass Krankheiten und Gebrechen, wenn und soweit sie Folge eines früheren Unfalles sind, diesem zuzurechnen sind und nicht dem neuen Unfall. Die Einschränkung seines Versicherungsschutzes wird dem Versicherungsnehmer damit deutlich vor Augen geführt.

Auch der erkennbare Zweck der Klausel spricht dafür, Krankheiten oder Gebrechen aufgrund früherer Unfälle anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Der Versicherungsnehmer entnimmt schon aus Ziffer 3 Satz 1 AUB 2008, dass der Unfallversicherer Versicherungsschutz für Unfälle und deren Folgen bieten will, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von Gesundheitsschädigungen wie Krankheiten oder konstitutionell oder schicksalhaft bedingte gesundheitliche Anomalien.

Die so verstandene Klausel ist laut BGH nicht intransparent und benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

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